Samstag, 26. April 2014

Gastbeitrag: Marktgeschrei

Foto: Franziska du Puits
Seit mir Roberts Angebot zum Gastbeitrag Jubelschreie entlockte, sind ein paar Tage vergangen. Ich habe die Frage „Worum geht es (mir) eigentlich?“ wieder- und wiedergekäut und bin den weiteren Kommentaren zum Artikel „Vegetarische Ernährung für Kleinkinder?“ gefolgt. Dort ist mir eine Tendenz aufgefallen, welche mir nun als Einstieg dienen wird. 

Marc-:´s Einverständnis seine Worte vom 18.04.14 zitieren zu dürfen vorausgesetzt:

„Warum lässt „man“ uns nicht einfach in Ruhe (und) unser Ding machen? Warum gibt es immer wieder Menschen, D.ieG.erneE.rmahnen und uns sagen wollen, was richtig ist und vor allem, was wir deren Meinung nach alles falsch machen.“

Ich will den Versuch einer Antwort im Gewand einer Gegenfrage servieren: 

Sind wir denn  noch in der Lage, ohne Vorgaben – bedeutet auch ohne wissenschaftliche Nachweise über Sinn oder Unsinn – unsere Entscheidungen zu treffen?
von Franziska du Puits

Donnerstag, 10. April 2014

Gastbeitrag: Vegane Erfahrungen

Ich freue mich darüber, Euch heute einen Gastbeitrag von Barbara, einer Leserin meines Blogs zur Lektüre ans Herz legen zu dürfen. 

Barbara schrieb mich auf einen meiner Artikel, die sich kritisch mit den Lehren des Veganismus auseinandersetzten an, und das was sie mir zu erzählen hatte, das hat mich damals sofort berührt. 

"Barbara", schrieb ich ihr, "wie wäre es, wenn Du Deine Erfahrungen als langjährige überzeugte Veganerin und wie es dazu kam, dass Du Deinem Leben eine andere Richtung gegeben hast, mit einem breiteren Publikum teilen würdest? Möglicherweise sind dir andere Menschen, die das Gefühl haben, den falschen Weg eingeschlagen zu haben oder auf dem Weg dazu sind, froh, wenn du sie an deiner Lebenserfahrung teilhaben läßt und ihnen Input gibst, der nicht die angeblich rosaroten Seiten des Veganismus wiedergibt, sondern eher ein ungeschminktes Kontrastprogramm." 

Barbara wollte - und heute habt Ihr die Gelegenheit, Euch ihre Erfahrungen ein Stück zu eigen zu machen, sie gegebenenfalls an den Euren zu spiegeln (ich weiß, dass unter meinen Leserinnen und Lesern viele Ex-Vegetarier sind) oder sie - einfach nur so - auf Euch wirken zu lassen.

Nun übergebe ich das Wort an Barbara und verweise auf die Kommentarfunktion am Ende ihres Artikels.  Barbara freut sich bestimmt auf Euer Feedback.





Vegane Erfahrungen

von Barbara




Ich habe ungefähr 7 Jahre vegan gelebt und sehe diese Sache im Nachhinein sehr kritisch. Meine Kritik an der veganen Ernährung resultiert aus meinen Erfahrungen damit. Diese Erfahrungen sind sehr individuell und persönlich. Es gibt natürlich Menschen, die behaupten, seit 20 Jahren ohne jede Probleme vegan zu leben. Bei mir funktioniert das definitiv nicht ohne Apotheke in Reichweite. Und selbst mit Apotheke ist die Lebensqualität herabgesetzt.



Als Kind hatte ich einen ausgeprägten Ekel vor Fleisch. Das war der Grund, wieso ich es für Jahrzehnte niemals gegessen habe. Mit Mitte 40 habe ich dann zu meinem großen Erstaunen festgestellt, dass nicht nur der Ekel weg ist, sondern dass es mir ausgesprochen gut tut.

Nach einer etwas orientierungslosen vegetarischen Phase in meiner Jugend habe ich die Makrobiotik kennengelernt. Die makrobiotische Ernährung empfiehlt neben viel vollwertigem Getreide und Gemüse, Hülsenfrüchten, Sojaprodukten, Meeresalgen usw. auch drei mal die Woche Fisch. Den habe ich aber einfach weggelassen, weil ich keine Lust drauf hatte. So wurde ich dann relativ zügig vegan.
Je nachdem, wie schlecht man sich vorher ernährt hat, geht es einem damit erst mal richtig gut.

Das Problem bzw. das Schwierige ist, dass B12 in der Leber gespeichert wird, dass man nur winzige Mengen davon braucht und dass es lange, jahrelang, dauern kann, bis dieser Speicher leer ist. B12 kommt nur in tierischen Nahrungsmitteln vor, logischerweise am meisten in Leber. Wenn man nur Pflanzen isst, nimmt man kein B12 auf. Der Speicher ist also irgendwann leer.
Das bedeutet, dass ich als Veganer jahrelang glücklich und zufrieden leben kann und viel Zeit habe, an meinen Überzeugungen zu basteln, mich dort einzurichten und wohlzufühlen. Ich stoße automatisch auf Bücher und auf Leute, die meine Erfahrungen bestätigen. Ich hatte damals ein Buch, das die Ergebnisse vieler Studien zusammenfasst, die allesamt aussagen, dass Fleisch, Milchprodukte und Zucker gleichermaßen hochgradig ungesund seien. Davon war ich dann auch felsenfest überzeugt. Die vegane Ernährung war also in den ersten Jahren ein voller Erfolg. So geht es wohl Vielen. Deshalb kann man es kaum glauben, dass es langfristig eben doch nicht funktioniert und es fällt einem sehr schwer, damit einfach aufzuhören.

Die Veränderungen kamen sehr langsam und schleichend. Ich stellte fest, dass meine Hände kribbeln, dass meine Tatkraft schwindet, dass ich mutlos, passiv, leicht depressiv wurde. Außerdem war ich müde, erschöpft, lethargisch und habe mich immer mehr zurückgezogen. Diese Tendenzen waren mir nicht grundsätzlich fremd, solche Phasen kommen im Leben immer mal vor. Es fiel mir anfangs sehr schwer, das mit der Ernährung in Zusammenhang zu bringen. Es wurde mit der Zeit dann schlimmer in der Form, dass ich innerlich unruhig wurde und sich ein wachsendes Unbehagen breitmachte. Irgendwann ließ ich dann mal meinen B12-Status untersuchen, und ich hatte meinen Mangel dann amtlich.
B12-Mangel führt zu Erschöpfung, Angst, Depression und letztlich zu einer speziellen Form von Anämie. Wenn der B12-Wert sinkt, erhöht sich der Wert einer Substanz namens Homocystein. Erhöhte Homocysteinwerte führen zu Arteriosklerose und begünstigen Herzinfarkt und Schlaganfall. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: meine supergesunde vegane Ernährung kann mir einen Herzinfarkt bescheren! Ich dachte immer, dass wäre die Domäne der Fleischesser. Aber so ist es nicht!!

Rüdiger Dahlke schreibt in einem Artikel mit dem schönen Titel „Essen für den Frieden“ über die vegane Ernährung: „Wir werden dadurch nicht nur spürbar gesünder, angstfreier und leichter, sondern auch besser durchblutet, energetischer und friedlicher.“
Exakt das Gegenteil ist der Fall. Mein Körper war im Stress, ich hatte weniger Energie, ich war nicht besonders friedlich sondern schnell genervt und gereizt. Und hatte ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen. Und so nette Sachen wie Depression und Anämie waren auch nicht weit entfernt.
Rüdiger Dahlke ist Arzt und gibt in seinem Buch „Peace Food“ auch zu, dass Veganer B12 substituieren müssen. Auch ein Attila Hildmann erwähnt dies beiläufig in seinen Büchern. Da wären wir uns also einig. B12 ist extrem wichtig, ist nicht in pflanzlicher Nahrung enthalten und muss auf anderem Wege über Pillen oder Spritzen zugeführt werden. Das klingt dann nicht mehr so gut, aber erstaunlicherweise haben die genannten Autoren weder ein logisches noch ein moralisches Problem damit, ihren Lesern eine Mangelernährung als „gesund“ zu verkaufen.
Dahlke und viele andere berufen sich auf die sog. China-Studie. Ich habe die nie gelesen, aber ich weiß, man hat eine vegan lebende Bevölkerungsgruppe in China untersucht, die im Vergleich zu irgendeiner Fleischesser-Gruppe viel, viel gesünder sein soll. Diese Studie soll das ultimative Argument, der schlagende Beweis dafür sein, dass die optimale Ernährung für alle die vegane ist. Ich bin keine Ernährungswissenschaftlerin und habe keine Ahnung von Statistik, aber mir fällt auch so auf, dass da irgendwas nicht stimmen kann. Wenn die vegan lebende Gruppe - es handelt sich dabei um Landbevölkerung, nicht um Städter - tatsächlich so kerngesund sein soll, dann gibt es dafür nur folgende Erklärungen:

die chinesischen Bauern sind bestens mit B12-Supplementen versorgt (eher abwegig),
die Chinesen machen´s wie die Inder: ihr Gemüse ist angereichert mit Insekten und deren Ausscheidungen, und am besten noch mit Spuren von Dung. Dann kriegt man nämlich keinen B12-Mangel. Man hat dies bei einer vegan lebenden Population in Indien untersucht. Als einige aus dieser Gruppe dann nach England auswanderten und ihre Ernährung beibehielten, entwickelten sie nach einiger Zeit einen B12-Mangel. Warum? Weil sie ihr Gemüse im Supermarkt einkauften, und das war leider hygienisch sauber. Tja, wenn das so ist, dann muss man das auch ehrlicherweise offen sagen, und dann müssen auch die veganen Kochbücher umgeschrieben werden. Ein bisschen mehr Dreck, hier mal ein Würmchen, dort mal ein kleines Krabbeltier am Gemüse, das wäre dann unabdingbar. Und das muss mitgegessen werden! Damit wäre die vegane Idee in unseren Breiten erledigt. Aber wir haben ja glücklicherweise unsere Apotheken und genug Geld, um uns mit künstlich erzeugtem B12 einzudecken
oder die Ergebnisse sind zurechtgebogen. Darauf wird es wohl hinauslaufen, siehe dazu das schöne Video von Pollmer.

Ich kann mich erinnern, dass dieser Zustand von Unruhe und Unbehagen so schlimm wurde, dass ich hektisch in die nächste Apotheke rennen, mir B12-Ampullen kaufen und mir eine davon sofort subkutan – ins Unterhautfettgewebe - spritzen musste. Das Spritzen ist nicht weiter dramatisch, man kann sich dran gewöhnen. (Man kann auch Pillen nehmen, aber Spritzen ist effektiver.)
Kurze Zeit später ging es mir deutlich besser, Unruhe, Unbehagen und die damit verbundene düstere Stimmung verschwanden. Die B12-Problematik hat mich dann auch nicht dazu gebracht, meine Ernährung grundsätzlich zu überdenken, denn von der veganen Idee überzeugt war ich immer noch.

Noch eine andere, auffällige Veränderung stellte sich ein: mit der Zeit wurden die Abstände zwischen meinen Regelblutungen immer größer und dann hatte ich für mehrere Monate gar keine mehr. Das war mir durchaus recht, denn wenn ich sie hatte, war ich immer ziemlich ausgelaugt und fertig. Ich hatte den Eindruck, je mehr unfermentierte Sojaprodukte wie Tofu, Sojamehl, Sojamilch, Sojajoghurt usw. ich gegessen hatte, um so seltener bekam ich meine Blutungen. Es kann auch durchaus sein, dass da ein Zusammenhang besteht, denn Soja greift stark in den Hormonhaushalt ein und kann tendenziell zu Unfruchtbarkeit führen, wie ich Jahre später gelesen habe.
Seitdem ich regelmäßig Fleisch und vor allem Leber esse (Leber ist extrem hilfreich!), sind alle Symptome verschwunden: regelmäßiger Zyklus, viel weniger Schmerzen, kein Ausgelaugtsein mehr, im Gegenteil, ich bin jetzt - auch wenn ich meine Tage habe - richtig fit.


Auch diese Erfahrung konnte mich nicht von der veganen Ernährung abbringen. Ausschlaggebend war etwas anderes: meine Verdauungsbeschwerden. Jeden Tag auf´s Neue. Ein aufgetriebener Bauch, Blähungen und das Gefühl, mein Verdauungssystem ist total überlastet. Im Nachhinein sehe ich die Gründe in dem hohen Konsum von Getreide und vor allem von Soja. Soja enthält eine Substanz, die das Verdauungsenzym Trypsin hemmt und damit die Eiweißverdauung blockiert.
Das wusste ich damals leider nicht. Ich habe ahnungslos mein Sojadessert gelöffelt und mich danach furchtbar gefühlt. Es ärgert mich, wenn Soja als ganz normales, vollkommen harmloses und sogar „gesundes“ Lebensmittel in vegetarischen und veganen Kochbüchern empfohlen wird. Das ist es ganz sicher nicht, es hat viele Nachteile, aber keinen einzigen Vorteil. Ich habe unfermentiertes Soja komplett aus meinem Speiseplan gestrichen. Fermentierte Sojaprodukte wie Miso und Sojasaucen sind besser und man nimmt auch nur wenig davon als Gewürz.


Ich hatte gegen Ende meiner veganen Phase das Gefühl, mein Körper will die vielen Pflanzen einfach nicht mehr. Ich hatte immer wieder Durchfall und es kam auch vor, dass ich mich übergeben musste. Mein Essen war nicht verdorben und ich habe keine Essstörung, es war einfach ein drastisches Signal: so geht es nicht mehr, ich will dieses Essen nicht!
Ich war ratlos, hatte die Botschaft aber grundsätzlich verstanden. Es musste trotzdem noch einiges passieren, bis ich meinen Geist „umprogrammieren“, also die alten Überzeugungen gehen lassen und mich für neue Argumente öffnen konnte. Das dauert seine Zeit.


Es war dann gar nicht so einfach, im Bioladen bis zur Fleischtheke vorzurücken. Ich blieb einige Meter davor stehen und musste einen langen inneren Kampf ausfechten. Es ging nicht vor (zur Fleischtheke) und nicht zurück (den Laden ohne Fleisch verlassen). Wenn ich mich dann überwunden hatte, musste ich mich erst umgucken und sicher sein, dass mich niemand von meinen Bekannten sieht, und erst wenn die Luft rein war, bin ich hin zur Fleischtheke. Mir war damals durchaus die Komik der Situation bewusst und auch heute kann ich immer noch drüber lachen.


Nach einiger Zeit regelmäßigen Konsums von Fleisch und Leber (aber keine Milchprodukte, die sind nichts für mich) stelle ich fest: Ich muss kein B12 mehr spritzen, bin körperlich viel, viel fitter und auch psychisch in einer besseren Verfassung. Ich habe immer noch, obwohl ich dieses Jahr 52 werde, eine regelmäßige und fast schmerzfreie Regelblutung. Meine Verdauungsprobleme blieben mir noch ein paar Jahre erhalten, bis ich eines Tages begriffen hatte, dass sich Fleisch und Getreide nicht vertragen. Also habe ich jetzt seit 4 Monaten das Getreide gestrichen und es ist wesentlich besser geworden. Ich bin aber noch am experimentieren.


Für mich habe ich folgendes Fazit aus dieser Episode gezogen: der Geist ist empfänglich für bestechende Konzepte, aber diese - auch wenn sie noch so schön sind – dienen nicht unbedingt dem Körper. Der Körper kann dies eine Zeit lang tolerieren, aber irgendwann ist absolut Schluss. Und da muss mein Geist – auch wenn er noch so ehrgeizig ist – sich beugen und die schönen Pläne und Konzepte begraben. Das gilt für viele Dinge im Leben, klingt banal, ist aber nicht immer einfach umzusetzen. Aber wenn man es umsetzt, hält es einen lebendig, ist spannend, interessant und sehr lehrreich.


Barbara, 7.4.2014