Freitag, 3. Juli 2015

Never-Ever Paleo: Fermentiertes Gemüse

Foto: bdubay, wikicommons
Schon seit geraumer Zeit gibt sich eine wachsende Zahl selbsternannter ExpertInnen unserer, an altsteinzeitlichen Vorbildern orientierten Ernährungsweise, einer absonderlichen Leidenschaft hin: Sie zerkleinern Gemüse, füllen es in große Behältnisse und überschütten es mit heißem Wasser, in dem sie zuvor beträchtliche Mengen an Salz, gelegentlich auch vermengt mit anderen Zutaten wie Honig und Gewürzen, aufgelöst haben. Milchsauere Vergärung, Fermentation, ist das Zauberwort und auf manchen Seiten im WWW, die das Attribut "Paleo" tragen, hat man den Eindruck, dass das, was da getrieben wird, tatsächlich altsteinzeitlichen Ernährungspraktiken entspräche.

Tut mir von Herzen leid, Leute - nachdem ich schon beim Thema Nussmehlnachbauten, Cassava/Maniok und Süßkartoffeln die "Paleo-Polizei" spielen mußte, kann ich mir auch bei diesem Thema Widerspruch nicht verkneifen:  
Weder ist das Fermentieren von Gemüse paleo, noch ist es nachgewiesen, dass es gesundheitliche Vorteile bringt. Vielleicht handelt es sich beim Konsum solch denaturierter Nahrung gar um einen derjenigen Faktoren, die zur katastrophalen Verschlechterung der Gesundheit der Menschen in der Folge der Neolithischen Revolution beitrugen?
von Robert Bock

Zunächst sei noch einmal daran erinnert, dass sich das Attibut "Paleo" von der Epoche der Menschheitsgeschichte ableitet, die man als das Paläolithikum, oder als die Altsteinzeit bezeichnet. Diese, weit über 95% der Geschichte der Gattung Homo umfassenden Zeitperiode, ist gekennzeichnet durch eine Subsistenz der evolutorischen Vorläuferlinien des Homo sapiens und seiner selbst, als Jäger und Sammler.

Mit der Erfindung von Ackerbau, Viehzucht und Milchwirtschaft brach, beginnend vor etwa 10.000 Jahren, die Neolithische Revolution an. Das Paläolithikum ging dann eher gemächlicher, als das der Begriff "Revolution" vermuten läßt, in das Zeitalter des Neolithlikum, die Jungsteinzeit über, die Menschen wurden seßhaft und zogen nicht mehr dem Jagdwild hinterher sondern ernährten sich primär von dem, was die örtliche Scholle in Verbindung mit den wenigen domestizierten Pflanzen plus Milchwirtschaft hergab.

Die zentrale Hypothese der modernen Steinzeiternährung des 21. Jahrhunderts, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts u.a. durch Arbeiten von Vögtlin und Eaton, Eaton und Konner eingeläutet wurde, lautet, dass es die Früchte des Neolithikums und später der Industrialisierung der Nahrungsproduktion waren, die zu einer Verschlechterung der Gesundheit des Menschen beitrugen und wir die "Zivilisationskrankheiten" dadurch in den Griff bekommen können, wenn wir uns verstärkt wieder am Lebenstil unserer altsteinzeitlichen Urahnen orientieren, die sich einer dramatisch besseren gesundheitlichen Konstitution erfreuten, als ihre neolithischen Enkel.

Um zum Thema zurückzufinden: Das Fermentieren von Gemüsen ist eine typische Erfindung des Nachklangs des Neolithikums und erst rund 1000 Jahre v. Chr. in chinesischen Quellen nachgewiesen. Mit dem Paläolithikum hat diese Technik der Denaturierung von Lebensmitteln zum primären Zweck der Konservierung nichts zu tun.

Auf den langen Zeitskalen der Evolution unseres Stoffwechsels handelt es sich also um ein ziemlich neumodisches Lebensmittel, wenn wir uns mit fermentiertem Gemüse beschäftigen. Nicht einmal um ein jungsteinzeitliches Lebensmittel, eher ein aus der Antike stammendes, keinesfalls aber um ein Grundnahrungsmittel unserer altsteinzeitlichen Vorfahren.

Selbstverständlich ist Vergärung ein natürlicher Prozess, der auch ohne menschliches Zutun stattfindet, betrifft aber in naturam primär zuckerhaltiges, überreifes Obst. Jeder Biologe weiß, dass sich nicht nur der Mensch am Alkoholgehalt vergorener Früchte begeistert, sondern sich auch Vögel, Elephanten und Affen, sogar Insekten gern daran berauschen. Es steht zu vermuten, dass der Konsum natürlich enstandenen Alkohols aus Früchten (heute primär in Form von Wein aus Weintrauben) schon vor der Enstehung der Gattung Homo vor rund 4 Millionen Jahren in seinen Vorläuferlinien gang und gäbe war. Wissen tut man das nicht mit Sicherheit, aber die Wahrscheinlichkeit ist enorm groß und Gegenargumente werden gar nicht erst diskutiert.

Was man hingegen weiß ist, dass die gezielte und vom Menschen gesteuerte Fermentation von Lebensmitteln ein typisches Phänomen der Seßhaftwerdung, des Ackerbaus und der Milchwirtschaft ist, wobei es zunächst Getränke auf Basis von Getreide (Bier) und Milchprodukte waren, an denen sich der Erfindungsreichtum des Menschen austobte.

Schön zusammengefaßt und mit zahlreichen wissenschaftlichen Quellen unterfüttert, steht z.B. hier folgendes zu lesen (Hervorhebungen durch mich):

"Fermented foods: an ancient tradition


Fermentation is one of the oldest forms of food preservation technologies in the world. Indigenous fermented foods such as bread, cheese and wine, have been prepared and consumed for thousands of years and are strongly linked to culture and tradition, especially in rural households and village communities.

The development of fermentation technologies is lost in the mists of history. Anthropologists have suggested that it was the production of alcohol that motivated primitive people to settle down and become agriculturists. Some even think the consumption of fermented food is pre-human (Stanton, 1985).

The first fermented foods consumed probably were fermented fruits. Hunter-gatherers would have consumed fresh fruits but at times of scarcity would have eaten rotten and fermented fruits. Repeated consumption would have led to the development of the taste for fermented fruits. There is reliable information that fermented drinks were being produced over 7,000 years ago in Babylon (now Iraq), 5,000 years ago in Egypt, 4,000 years ago in Mexico and 3,500 years ago in Sudan (Dirar, 1993), (Pedersen, 1979).

Bread-making probably originated in Egypt over 3,500 years ago (Sugihara, 1985). Several triangular loaves of bread have been found in ancient tombs. Fermentation of milk started in many places with evidence of fermented products in use in Babylon over 5,000 years ago. There is also evidence of fermented meat products being produced for King Nebuchadnezer of Babylon

China is thought to be the birth-place of fermented vegetables and the use of Aspergillus and Rhizopus moulds to make food. The book called "Shu-Ching" written in the Chou dynasty in China (1121-256 BC) refers to the use of "chu" a fermented grain product (Yokotsuka, 1985).

(...)

Fermentation is a relatively efficient, low energy preservation process which increases the shelf life and decreases the need for refrigeration or other form of food preservation technology. It is therefore a highly appropriate technique for use in developing countries and remote areas where access to sophisticated equipment is limited. Fermented foods are popular throughout the world and in some regions make a significant contribution to the diet of millions of individuals.
In Asia the preparation of fermented foods is a widespread tradition. The fermented products supply protein, minerals and other nutrients that add variety and nutritional fortification to otherwise starchy, bland diets. "

Dazu auch hier bei Wikipedia weiterführende Information.

Vordringliche Ziele des gezielten Fermentierens durch eigens hierfür entwickelte Technologie waren und sind also: 
  • Sich ,ob individuell oder kollektiv - aus Spaß an der Freud oder religiös-kultischer Motivation die Birne zuballern (Alkohol), 
  • Laktose in der Milch fremder Säugetiere abbauen, um diese Nahrungsquelle überhaupt halbwegs verstoffwechseln zu können (sofern laktoseintolerant), Abbau von Phytinsäure und anderen Antinutrients in Getreiden (Sauerteigführung) und Hülsenfrüchten  und - bis in unsere Zeit hinein vordringlich: 
  • Haltbarmachung von begrenzt lagerfähigen Feldfrüchten, um zwischen den Ernteperioden nicht hungern zu müssen (Vorratshaltung).
Dass Lebensmittel, insbesondere Gemüse, durch Fermentation generell an Gesundheitswert gewinnen würden, ist vor allem ein von der Lebensmittelindustrie verbreiteter Mythos. In lediglich zwei Fällen kann man das wohl als statthafte Behauptung stehen lassen: Im Falle von Sojaprodukten, die ohne diverse Denaturierung ungeniessbar sind und im Fall der fermentierten Milchprodukte für Menschen, die laktoseintolerant sind. Beide Nahrungsmittelkategorien (Milchprodukte und Hülsenfrüchte) sind aber a priori und unbestritten nicht paleokonform und insofern ohnehin im Paleo-Kontext uninteressant.

Was eine Verbesserung des gesundheitlich relevanten Wertes von Gemüsen durch Fermentation angeht, oder den Konsum von Milchsäurebakterien selbst, gibt es keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz.

Was allerdings ausreichend belegt ist, das ist der hohe Gehalt an Histamin in Sauerkraut und in in Essig eingelegtem, sauren Gemüse. Wer unter Histaminunverträglichkeit/-sensitivität leidet, tut sich keinen Gefallen mit der Vergärung von Gemüsen. Wo lese ich dazu etwas in den Blogs der vielen Fans der "Paleo-Fermentiererei"? Spärlichst gesät - obwohl es sich um massive Beschwerden handelt, die mit Histaminintoleranz verbunden sein können.

Ja, tut mir leid, Leute: Wer glaubt, dass das ganze milchsaure Gemüse auch nur einen gesundheitlichen Mehrwert hätte, den das Ausgangsprodukt nicht per se mitbrächte, der täuscht sich. Steigerung des Gehaltes an Histamin habe ich bereits als Negativfaktor angesprochen und wurde das Fermentationsgut gar deutlicher über 40 Grad erhitzt, so hat es sogar einen noch geringeren Nährwert als das Ausgangsprodukt, weil die Nahrungsenzyme abgetötet wurden. U.a. auch dadurch wird das Zeug haltbar - und das ist letztlich auch der historische und offen gesagt, auch der einzige Sinn der ganzen Fermentiererei. Alles was darüber hinausgeht, bedient dann allenfalls kulinarische Aspekte, aber mit Gesundheit hat das letztlich wenig bis nichts zu tun - und mit der Altsteinzeit schon gar nicht.

Nicht einmal im Fall der Fermentation von Milchprodukten mit "probiotischen Milchsäurebakterienkulturen", konnten bislang - trotz massiver Anstrengungen der Industrie bestimmte Joghurtprodukte mit Health-Claims als Functional Food zu vermarkten - eine ausreichende Evidenz für die behaupteten gesundheitlichen Nutzendimensionen geliefert werden. Seit geraumer Zeit dürfen solche Produkte deshalb in der EU nicht mehr mit gesundheitlichen Nutzenversprechen angepriesen werden und die Werbung verschont uns seiher vor bewegten Bildern von Frauen mit "Blähbäuchen", die sich in ihrer, uns suggerierten Verzweiflung, einen dreifach überteuerten und de facto gegenüber einem 08/15-Joghurt völlig mehrwertfreien probiotischen Joghurt internalisieren.

So schließt z.B. das Abstract der bahnbrechenden Übersichtsarbeit von Gilliland (Health and nutritional benefits from lactic acid bacteria) mit der folgenden, glasklar formulierten Aussage:

With the possible exception of improving lactose utilization by persons who are lactose maldigestors, no specific health or nutritional claims can yet be made for the lactic acid bacteria.

 Was bedeutet das?

  • Die einzigen natürlich fermentierten Nahrungsmittel, mit denen die Menschen der Altsteinzeit wohl mehr oder weniger regelmäßig (je nach Habitat) in Kontakt kamen, waren vergorene Früchte, aus denen in späteren Zeiten z.B. die Kultur des Weinbaus erwuchs. Deswegen kann man Wein (im rechten Maß genossen!) auch als statthaftes Genußmittel in einer emulierten Paleo-Ernährung des 21. Jahrhunderts gutheißen. Selbst wenn dem nicht so wäre: ich würde trotzdem ab und an ein Gläschen trinken wollen.
  • Alle anderen fermentierten Lebensmittel waren niemals Teil der Ernährung altsteinzeitlicher Jäger und Sammler und auch die Technologie, die hierzu nötig ist, stand ihnen nach Stand des Wissens nicht zur Verfügung.
  • Diese Technologie wurde erst im Zuge der im Neolithikum erforderlich gewordenen Vorratshaltung entwickelt und von daher sind fermentierte Gemüse ein typisches Lebensmittel des Neolithikums, eher aber wohl erst der Antike und der ihr folgenden Epochen.
  • Da sich die Gesundheit des Menschen nachweislich vor allem im Übergang von der Alt- zur Jungsteinzeit so dramatisch verschlechterte, muß die hyothetische Frage statthaft sein, inwiefern und inwieweit ggfls. nicht auch der regelmäßige Konsum fermentierter Gemüse dazu beigetragen haben könnte. Mein Gefühl sagt mir zwar: Wahrscheinlich eher nicht, vielleicht konnte mit der ganzjährigen Verfügbarkeit haltbar gemachten Gemüses sogar noch Schlimmeres verhindert werden, aber "Glauben" und "Wissen" sind zwei Paar Schuhe. Der Stand der Wissenschaft besagt, dass es keine harten, evidenzbasierten gesundheitlich relevanten Gründe gibt, Milchsäurebakterien und mit ihnen fermentiertes Gemüse statt des rohen Ausgangsproduktes zu verzehren, es sei denn, das Ausgangsprodukt ist mit Antinutrients so belastet, dass es ohne Denaturierung gesundheitsschädlich wäre (z.B. Soja, ggfls. Milch).
  • Die Masse der wissenschaftlichen Literatur zur gesundheitlichen Bedeutung fermentierter Lebensmittel, vermeidet bewußt den Vergleich des Nährwertes zum frischen, rohen Ausgangprodukt. Primär stammen solche Studien aus der Ecke der Nahrungsmittelindustrie, deren PR-Abteilungen ein nachvollziehbares Interesse daran haben, dass ihre denaturierten und deshalb nahezu unbegrenzt haltbaren Produkte in der Wahrnehmung des Verbrauchers als "gesund" positioniert und verankert werden. Einer harten Überprüfung hält dies aber nicht stand, wie Gilliland feststellt und deswegen wird auch heute dem Ausrufen von "health and nutritional claims" die Rechtfertigung verweigert, so sehr sich die Industrie auch darum bemüht, neue Functional-Food-Goldesel ins Regal zu bringen.

Von daher kann das Fazit aus meiner Sicht nur lauten:

Fermentiertes Gemüse? Never-Ever Paleo!

Klar, man kann es essen, wenn man keine Probeme mit Histamin hat (vor allem wenn es einem schmeckt, warum nicht?), es birgt wohl auch keine gravierenden gesundheitlichen Risiken wie bei anderen beliebten Pseudo-Paleo-Lebensmitteln, die die Szenen in kaum nachvollziehbaren Anfällen von Irrsinn einem Hype unterwirft. Aber mit einer Paleo-Ernährung hat das Konsumieren von fermentiertem Gemüse vom Grundsatz her nichts zu tun und es gibt keinen nachvollziehbaren, gesundheitsmotivierten Grund, fermentiertes Gemüse statt des frischen Ausgangsproduktes, wie es uns die Natur schenkt, zu essen.

Deshalb mein Rat: Esst die Ausgangsprodukte so, wie sie unsere Urahnen auch aßen: Roh, frisch, lebendig. Solltet Ihr einen Garten haben und große Mengen an Gemüse ansonsten verderben - ok - warum sie nicht auf diese Weise haltbar machen und nach und nach verzehren, wenn ihr keine Probleme mit dem erhöhten Histaminghalt solcher Konserven habt? Aber mit "Paleo" hat das, was ihr da futtert, nichts, aber auch überhaupt nichts zu tun. 

Verdrängen gar fermentierte Gemüse Frischware aus Eurer Ernährung, dann seit ihr - sorry - mit dem Klammerbeutel gepudert. Fermentierte Ware ist gegenüber dem frischen Ausgangsprodukt stets B-Ware.

Auch wenn das manchem, der damit ein Geschäft wittert, und/oder "Paleokochbücher" verkauft, die diesen Namen im Grunde nicht verdienen, milchsauer aufstößt, so ist die Faktenlage.
Der Markt füllt sich mit einem Blödsinn nach dem anderen - es ist zum Heulen, was alles als "paleo" durchgehen soll, wenn es nur dem Geschäft dienlich ist!

  • Wer den Eindruck erweckt, es wäre nachgerade typisch für altsteinzeitliche Ernährungsgewohnheiten, fermentiertes Gemüse zu essen, erzählt Bullshit. Die Altsteinzeit war schon runde 7000 Jahre vorbei, als die Chinesen damit begannen, Gemüse milchsauer zu vergären. Nach Europa kam, obwohl schon die Römer vergleichbare Methoden der Haltbarmachung kannten, z.B. das Sauerkraut in der uns heute bekannten Form, durch die Reiterhorden des Dschingis Khan. Der lebte von ca. 1155 bis 1227 nach Christus. Soviel zu unseren, ach so traditionsreichen europäischen Ernährungstraditionen.
  • Kochrezepte, die das Etikett "paleo" tragen, und in denen unkommentiert fermentierte Gemüse vorkommen, sind nichts weiter als unseriöser Etikettenschwindel. Statt frischer Lebensmittel werden denaturierte, bearbeitete Nahrungsmittel empfohlen - genau das, was die Paleo-Philosophie eigentlich von jeher brandmarkt. Und das in Zeiten, in denen wir ganzjährig eine Ernährung mit frischen Lebensmitteln emulieren können und nicht auf haltbar gemachte Ware angewiesen sind.
  • Blogger, die das Fermentieren ohne ein Wort der sachlichen Klarstellung dem "gemeinen Volk" als "paleo" verkaufen wollen, betreiben Verrat an der Sache, weil sie den Gegnern des Konzeptes Munition liefern, das Konzept aufs Einfachste ins Lächerliche ziehen zu können und
  • In der breiten Öffentlichkeit ein völlig falsches Bild von Paleo-Ernährung generiert wird.
Welche Motivation auch immer dahinter sich verbergen mag, im Regelfall wohl keine Ahnung, aber davon eine ganze Menge.

Paleo-Küche und Paleo-Kochen ist eine ziemlich simple Sache - manchmal habe ich den Eindruck, dem ein oder anderen Zeitgenossen (vornehmlich weiblichen Geschlechtes?) zu simpel. So sucht sich Mann/Frau dann vielleicht in manchen Fällen Nebenkriegsschauplätze um die frei gewordene Zeit irgendwie vermeintlich sinnvoll anzufüllen.

Fermentieren kommt vielleicht auch dem Sammeltrieb und dem exzessiven, nachgerade kultisch anmutenden Gebrauch von Aufbewahrungsgefäßen im Wohnumfeld nahe. (Die gefühlt halbe Verkaufsfläche von IKEA ist Aufbewahrungsutensilien gewidmet, in denen wir unseren überflüssigen Wohlstandsmüll organsieren sollen, statt diesen gnadenlos wegzuwerfen und nie wieder durch neuen Müll zu ersetzen. Reist mit leichtem Gepäck durchs Leben, Leute. So wie unsere altsteinzeitlichen Jäger und Sammler auch. Die Sachen besitzen Euch, nicht Ihr sie!).

Man kann die fermentierten Ergebnisse seines Spieltriebes durchaus auch stolz etwaigen Gästen vorführen und sogar an diese verkosten, um dringend benötigtes Lob zu erheischen.... . Tut mir leid, das alles sollte man/frau ggfls. tiefenpsychologisch hinterfragen, aber bitte nicht das Attribut "paleo" für  solche Rationalisierungen begrenzt rationalen Treibens im Zeitalter ganzjährigen Überflusses instrumentalisieren.

Letztlich steht zu vermuten, dass diejenigen, die uns weismachen wollen, dass fermentierte Gemüse ein altsteinzeitliches Nahrungsmittel sind, uns das Zeug vor allem in chicen Gläsern mit dem Stempel "Paleo-Approved" in ihren Webshops verklopfen wollen. Ein Geschäft ist nur zu machen, wenn man haltbare Ware mit möglichst langem "Shelf-Live" im Sortiment hat. So wie sie "Paleo-Nudeln", "Paleo-Nahrungsergänzungsmittel", "Paleo-Eiweißpulver und ähnlichen Müll an die Frau und an den Mann bringen wollen. Der gleiche Dreck wie eh und je, nur diesmal mit dem hippen und zeitgeistigen Paleo-Etikett.
Sie rechnen mit Eurer Dummheit. Die Veganer haben sie schon am Wickel - die bekommen das gleiche Zeug in anderer Verpackung, und die Kasse klingelt gleich doppelt. Sogar "vegane Paleo-Kochbücher" gibt es schon. Man möchte sie den Autoren öffentlich so lange um ihre Ohren hauen, bis es ihnen ihre Unverfrorenheit aus sämtlichen Körperöffnungen treibt.

Ich hasse es, die "Paleo-Polizei" spielen zu müssen, aber ich nehme mir auch in Zukunft die Freiheit dies zu tun, wenn ich auf Auswüchse aufmerkam werde, die m.E. das Konzept vergewaltigen, verwässern, der Beliebigkeit anheim geben und letztlich herabwürdigen. Ich weiß, dass es viele Fans in der Szene gibt, die das zu schätzen wissen und die das Wesentliche an der Paleo-Idee nicht aus den Augen verlieren wollen.

Re-Post vom April 2014