Mittwoch, 23. November 2016

"paleo-kompakt": Reduzieren oder vom Speiseplan streichen

In kompakter Form möchte ich Euch in diesem Beitrag einen Überblick über die wichtigsten "Don'ts" der Paleo-Ernährung geben, der sich vor allem an interessierte Einsteiger richtet. Dass die jeweilige Argumentationsline, warum diese Nahrungsmittel deutlich reduziert oder besser komplett vermieden werden sollten, im Rahmen eines Überblicks sehr komprimiert ausfällt, liegt in der Natur der Intention dieses Beitrages. Ebenso habe ich bewußt die zahlreichen umstrittenen Lebensmittel wie z.B. Pseudogetreide, "Safe Starches" und Nüsse (mit Ausnahme der Nachtschattengewächse) ausgeklammert, weil dies den Rahmen eines kompakten Überblicks sprengen würde.


Die folgenden Nahrungsmittel solltet ihr in Eurer Ernährung deutlich reduzieren - konsequenter noch: komplett streichen, wenn Ihr eine Paleo-Ernährung unter den Vorzeichen des 21. Jahrhunderts emulieren wollt:
von Robert Bock 
  • Sämtliche industriell bearbeiteten Nahrungsmittel.  
Begründung: Sie enthalten zumeist billige Transfette (hydrogenisierte Pflanzenfette, z.T. erkennbar an der Bezeichnung “teilweise gehärtete Fette”), Aromen, Farbstoffe, Geschmacksverstärker, Zucker, künstliche Süssstoffe, viel Salz und dergleichen mehr. Alleine schon durch den Verzicht auf diese Kategorie läßt sich das ungesund entgleiste Kalium:Natrium-Verhältnis deutlich korrigieren, was z.B. Bluthochdruck entgegensteuern hilft. Zudem sind industrielle, haltbar gemachte Lebensmittel oft stark histaminhaltig. Viele Menschen leiden unter einer (unerkannten) Histaminunverträglichkeit bzw -sensitivität.
  • Keine Speiseöle mit hohem Gehalt an Omega-6-Fetten (insbesondere kein Sonnenblumen-, Weizenkeim-, Mais-, Erdnuss, Soja- und Distelöl).  
Begründung: Eine in Relation zu den Omega-3-Fetten zu hohe Zufuhr an Omega-6-Fetten schlägt sich im Eicosanoidhaushalt in Form eines entzündungsfördernden Milieus nieder. Wenn Ihr ein Milieu schaffen wollt, das entzündungsbekämpfend ist, dann sollte das Verhältnis von Omega-6 zu Omega 3 zwischen 1:1 und 4:1 liegen. In einer Western Standard Diet liegen Werte zwischen 12:1 und 20:1 vor. Kein Wunder, dass entzündliche Krankheitsbilder derart grassieren. Zudem können beim Erhitzen von Omega-6-Fetten auf hohe Temperaturen (z.B. beim Frittieren) gesundheitsschädliche Transfettsäuren entstehen.
  • Kein Zucker! Auch keine Form von Rohrzucker oder braunem Zucker. Einzig akzeptabel, da auch unseren altsteinzeitlichen Vorfahren verfügbar gewesen, sind (getrocknete) Früchte und Honig. Da dieser aber nicht in Pfundgläsern verpackt an Bäumen wächst, sondern nur unter Inkaufnahme von schmerzhaften Stichen und auch nur für kurze Zeit im Jahr den Bienen zu stehlen war, sollte man Honig wie ein Gewürz verwenden.  
Begründung: Zucker treibt den Insulinspiegel aufgrund seines hohen glykämischen Index nach oben und fördert so die Entstehung von Insulinresistenz der Zellen, Hyperinsulinismus und Diabetes II  sowie Fettleibigkeit. Zucker liefert zudem lediglich leere Kalorien und verursacht Karies. Haushaltszucker (Saccharose) ist zudem aufgrund seiner jeweils hälftigen Zusammensetzeung aus Glucose und Fructose eine bedeutende Quelle der in großen Mengen konsumiert, besonders problematischen Fructose.
  • Kartoffeln (und andere Nachtschattengewächse wie Tomaten, Chillies, Paprika und Auberginen).  
Begründung: Kartoffeln sind vor allem wegen ihres hohen Stärkegehalts ein Problem. Dazu kommt das Nervengift Solanin, das auch durch Kochen nicht restlos vernichtet wird. Manche Menschen reagieren sehr sensibel schon auf kleinste Mengen.Die Meinungen zu Nachtschattengewächsen sind (mit Ausnahme zu Kartoffeln, die wegen ihrer Stärke gemieden werden sollte, es sei denn man treibt Leistungssport und geht hier Kompromisse ein) in der Fachliteratur sehr unterschiedlich. Ich selbst genehmige mir gelegentlich Tomaten, Paprika, Chillies oder Auberginen, versuche aber die solaninhaltigen Teile der Früchte konsequent auszuschneiden. Wer Probleme mit Gelenkschmerzen aus dem rheumatischen Spektrum hat, der sollte Nachtschattengewächse jeder Art meiden. Höchst bedenklich finde ich, dass eine Substanz wie Capsaicin, die Schmerzen verursacht als gesund gepriesen wird. Schmerz ist ein Alarmsignal unseres Körpers, das uns vor Schaden bewahren soll. Die Botschaft lautet: Lass den Scheiss! M.E. ist der Chilli-Hype eine geschickte Marketingstrategie derjenigen, die mit Chillies und daraus hergestelleten Produkten ihr Geld verdienen.

Mein Fazit: Eine umstrittene Kategorie. Auf dem Speisezettel der Europäer sind sie erst seit dem 16. Jahrhundert - also auf den Skalen der Evolution brandneu. Meine Meinung: Reduzieren, aber nicht unbedingt streichen - es sei denn man reagiert in irgendeiner Form sensibel darauf. Um das festzustellen, bietet sich eine Auslassdiät für 6-8 Wochen mit anschliessender massiver Wiedereinführung an.
  • Milch und Milchprodukte fremder Säugetierarten. Sämtliche und ohne Ausnahme. 
Begründung: Problematisch ist hier zum einen die säurebildende Wirkung und (für einen nicht zu unterschätzenden Teil der Bevölkerung) Laktose und Casein und Albumine sowie die abhängig machende Wirkung von Casomorphinen. 85% der Weltbevölkerung sind laktoseintolerant - 20% der bundesdeutschen Bevölkerung, d.h. jeder Fünfte und die wenigsten wissen es. Vor allem, wenn eure ethnischen Wurzeln im Mittelmeerraum, in Osteuropa, Lateinamerika, dem südlichen Afrika und Zentral- und Ostasien liegen. Ich rate dazu, euch - auch ohne Anfangsverdacht - ärztlich auf Laktoseintoleranz und Milchproteinallergien und -sensitivität testen zu lassen. Insbesondere eure Kinder, etwa nach dem dritten bis vierten  Lebensjahr nach Rücksprache mit dem Kinderarzt. 100% der Weltbevölkerung produzieren nicht das Enzym Rennin, das die Verdaulichkeit von Milchproteinen verbessern würde. Deshalb wird Milch durch Lab beim Käsen in langer Tradition bearbeitet, was seine Verdaulichkeit verbessern hilft. Sollte bei euch eine nicht-heriditäre (nicht ererbte, sondern erworbene) Fructoseintoleranz diagnostiziert worden sein, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihr auch laktoseintolerant seit. Handelsübliche Milch ist pasteurisiert und damit aller Nahrungsenzyme beraubt, die sie bekömmlicher machen würde. Die Homogenisierung sorgt für eine Veränderung der Fettmoleküle, die die gesättigen Fette der Milch erst problematisch für unseren Stoffwechsel machen.
  • Getreide und Getreideprodukte. Kein Brot, keine Nudeln, keine Cornflakes, kein Müsli, kein Reis, kein Mais, keine Backwaren, die Mehl enthalten. Kein Bier. Vor allem: Keine Vollkornprodukte. Entgegen der, seinerzeit von den Nationalsozialisten, im Zuge der Kriegsvorbereitungen initiierten Vollkornpropaganda, die von der DGE, die von den  Altnazis wie Werner Kollath maßgeblich geprägt wurde, fortgeführt wird, ist Vollkorn sogar die schlechtere Wahl als Weissmehl. Es hat seine Gründe, warum die Menschheit seit Anbeginn des Ackerbaus versucht hat, ihr Mehl fein auszumahlen und zu diesem Zweck immer bessere Technologien ersann.
Begründung: Das volle Korn enthält zwar mehr Mineralien als Weißmehl, aber es enthält eben auch in seinen Randschichten toxische Phytochemika (insbesondere Phytinsäure und Lectine) mit denen sich die Pflanze vor Fressfeinden schützt. Diese schaden auch uns Menschen und behindern insbesondere die Aufnahme wichtiger Mineralstoffe und Spurenelemente im Darm und können die Darmwand für allergene Stoffe durchlässig machen. Getreide ist ferner reich an Stärke und Energie (hohe glykämische Last und Stimulation der Insulinausschüttung) und das, bei in Relation zu anderen Nahrungsmitteln wie Gemüse und Obst, dürftigem Gehalt an Mikronährstoffen wie Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen. Hochglykämische Nahrungsmittel mit zudem hoher Glykämischer Last sind Dinge, die fett machen. Die hochgepriesenen Ballaststoffe des vollen Korns holt man sich in der Paleo-Diät gesünder über reichlich Obst und Gemüse und das ohne toxische Begleitstoffe. Es macht keinerlei Sinn eine Diät um leere Kalorien herum aufzubauen – wir sollten versuchen so viele Nährstoffe pro Kalorie wie möglich zu konsumieren und nicht umgekehrt! Außerdem vertragen viele Menschen das Weizenprotein Gluten nicht (milde Formen bis hin zur Zöliakie) ohne dass sie das wissen. Wie auch Milch, enthalten Getreide mild abhängig machende Exorphine. Wer also auf Brot und Backwaren meint nicht verzichten zu können, der ist u.U. Opfer seines chemisch stimulierten Belohnungszentrums im Gehirn - nicht wesentlich anders als ein Junkie, Raucher oder Alkoholiker. Der Paleo-Ernährungsforscher Loren Cordain drückt es so aus: “Cereal grains are literalley best left for the birds!” Ich rate, wie im Falle von Laktose und Milchproteinen, auch ohne konkreten Verdacht, auf Glutenunverträglichkeit testen zu lassen.
  • Hülsenfrüchte (Bohnen jeder Sorte, Linsen, Erdnüsse –  Erdnüsse sind Hülsenfrüchte - und Soja sowie alle Sojaprodukte).  
Begründung: Das Problem hier ist Phasin, ein für den Menschen giftiges Glycosid, das die Blutkörperchen verklumpt und bei entsprechendem Verzehr großer Mengen roher Hülsenfrüchte tödlich wirken kann. Beim Keimen von Hülsenfrüchten (Sprossen) baut sich Phasin zwar ab, aber nicht restlos. Im Falle von Sojabohnen kommt noch Phytinsäure hinzu sowie bislang noch unzureichend geklärte hormonelle Wirkungen auf den Menschen auf lange Sicht. Sämtliche Sojaprodukte fallen aufgrund des aufwendigen Aufbereitungsprozesses, der nötig ist, um diese überhaupt kurzfristig geniessbar zu machen (Langzeitwirkungen ausgeklammert!) unter "industriell bearbeitete Nahrungsmittel". Der Volksmund beschreibt die Wirkung von Hülsenfrüchten auf unsere Verdauung mit dem Sprichwort “Jedes Böhnchen ein Tönchen” – dahinter verbirgt sich u.U. ein wesentlich größeres Folgeproblem, als nur das Risiko zeitweiliger sozialer Ächtung. Ebenso ein Problem hier: Die Kombination aus Proteinen und Kohlenhydraten sorgt für eine maximale Insulinreaktion der Bauchspeicheldrüse und für eine unzureichende Justierung der Magensäure, da Stärke hohe pH-Werte, Proteine aber niedrige Werte zur optimalen Verdauung braucht.

Die Fragen, die sich mir stellen sind zum einen, ob es Sinn macht seinen täglichen Energiebedarf mit suboptimalen Bausteinen wie Getreide und Milch zu decken, wenn es bessere Alternativen mit überlegener Nährstoffbilanz gibt, die zudem in Form gesättigter Fette und säurebildender Wirkung (Käse, Getreide) oder toxischen Phytochemika (Getreide, Hülsenfrüchte) problematische Begleitstoffe beisteuern. Macht es Sinn seine Ernährung um Kernbestandteile aufzubauen, deren Verhältnis von Nährstoffgehalt zu Energiegehalt suboptimal in Relation zu anderen Alternativen ist? Macht es ferner Sinn seine Diät um leere Kalorien herum aufzubauen?

Im Gegensatz zu vielen Generationen unserer Vorfahren haben wir heute unter den Vorzeichen des Überflusses des 21. Jahrhunderts die Wahl. Wir sollten sie rational treffen! Nicht alle Traditionen sind es wert, um ihrer selbst Willen erhalten zu werden.

Es bedarf für viele einer gewaltigen mentalen Umstellung, die - vermeintlich! - seit Anbeginn der Menschheit die Grundsäulen unserer Nahrung bildenden Getreide- und Milchprodukte - nüchtern betrachtet - als das zu würdigen was sie sind: Auf den Zeitskalen der Evolution sind sie brandneue Innovationen. 99,75% der Zeit seit unsere ersten Ahnen aufrecht gingen haben wir nicht auf sie als Basis unseres Fortkommens gebaut, dadurch unter härtesten Bedingungen überleben können und die ganze Erde besiedelt. Zudem war der Gesundheitszustand der Ackerbauern und Viehzüchter dramatisch schlechter als der ihrer Vorläufer, der Jäger und Sammler)

In den jüngsten lediglich 0,25% der verstrichenen Zeit arbeitet die Menschheit sehr erfolgreich daran, den Ast auf dem sie sitzt selbst abzusägen. Was die individuelle Gesundheit betrifft, die durch einen nicht artgemäßen Lebensstil entgleist und was die Ausbeutung ihrer Ressourcen und Vernichtung ihrer Lebensgrundlagen angeht.

Auf Getreide- und Milchprodukte (und die anderen zu reduzierenden/meidenden Nahrungsmittel) zu verzichten – zumindest einmal eine Weile zur Probe – kann ein sehr spannendes persönliches Experiment sein. Vor allem fördert es die Einsicht in die vielfältige Verbreitung dieser Nahrungsmittel in unserer westlichen täglichen Ernährung. Und es wird Euch lehren, dass es euch ohne diese Produkte in vielfältiger Hinsicht besser gehen wird. 

Mir ging es so, als würde mein Körper “Danke” zu mir sagen. Danke, dass du mir endlich das gibst, was ich brauche – und zwar in Hülle und Fülle und nicht ständig zu wenig – und Danke dafür, dass Du mir die Dinge, mit denen ich nicht umgehen kann nicht mehr aufnötigst. Probieren geht über Studieren!

Wahrscheinlich werdet Ihr Euch fragen, was man denn dann überhaupt noch essen darf, wenn man sich diese zugegeben recht lange Liste der "Don'ts" anschaut. Dazu ein andermal mehr, wenn ich Euch in ebenso kompakter Form die "Do's" näherbringen werde. 

Hinweis: Dieser Beitrag ist ein, in einigen Teilen (vor allem Getreide und Nachtschattengewächse betreffend) aktualisierter Re-Publish eines Beitrages aus dem November 2011. Die Kommentare die aus dieser Zeit datieren habe ich drin gelassen, beziehen sich aber auf die Version von damals.